Ich weiß noch nicht, ob du diesen Text
irgendwann lesen wirst. Ich will in keinem Fall eine Antwort darauf
haben, weil es ein Abschluss ist und dieser Teil nicht mehr zu meiner
Gegenwart gehört.
Das hier soll keine Abrechnung sein und
auch kein Schuldvorwurf und keine Bitte um einen weiteren Anlauf. Es
ist der Versuch, mit einer achtmonatigen Distanz eine Bilanz zu
ziehen.
Ich habe dich wirklich und aufrichtig
geliebt. Ich hätte so ziemlich alles für dich getan, um dich
glücklich zu machen und habe dabei oft genug mich selbst aufgegeben.
Ich weiß, das war kein Teil einer Lösung der sich am Ende
anhäufenden Probleme, es war Teil ebendieser.
So wie du mich geprägt hast, hat es
kaum ein anderer Mensch je fertiggebracht. Auch heute noch merke ich
den Einfluss, den du jahrelang auf mich hattest - und das meine ich
im positiven Sinne. Sei es mein Musikgeschmack, die Veränderungen,
denen mein Zeichenstil unterworfen war, die Art, an bestimmte Dinge
heranzugehen, das Verhältnis meiner verschiedenen Charakterzüge
zueinander, meine Leidenschaft für Vinyl und laue Sommerabende oder
meine gelegentliche gesellige Tüte mit Freund*innen.
Die Zeit mit dir war nicht immer
leicht, aber sie hat mich reifen lassen und mich zu der Person
gemacht, die ich heute bin.
Ich bin dankbar darum, dich
kennengelernt haben zu dürfen und darum, dass wir auch in
schwierigen Situationen gemeinsame Strategien fanden, um Probleme zu
lösen.
Ich danke dir für die Zuneigung, die
vielen glücklichen Momente, deine Art, mich zum Lachen zu bringen
und an meiner Seite zu stehen, komme was wolle. Du hast mich
unglaublich bereichert.
Nun, acht Monate nach dem Ende unserer
nicht immer einfachen Beziehung, sehe ich viele Dinge rationaler,
weniger angriffslustig und verletzt.
Lange Zeit tat mir die Beziehung
unendlich gut, sie gab mir Halt und Sicherheit und einen geschützten
Raum, in dem ich ich selbst sein konnte.
Irgendwann wendete sich dieses Blatt,
aber bemerkt habe ich das erst sehr viel später.
Ich weiß nicht, ob dir heute klar ist,
wie sehr wir beide uns am Ende gegenseitig geschadet und einander
zugrunde gerichtet haben. Das ist kein Angriff, es sind nur die
längst überfälligen klaren Worte, die ich nie gefunden habe, als
ich noch die rosarote Brille trug.
Wir entwickelten uns auseinander,
natürlich. Wie auch nicht, ich hatte gerade meinen Vater verloren,
mit 18 Jahren meinen ersten Mietvertrag unterschrieben und eine
Haftpflichtversicherung abgeschlossen, du lebtest noch bei deinen
Eltern. Zwei Menschen, bei denen sich das Leben irgendwann in
unterschiedlichem Tempo weiterentwickelte.
Doch ich konnte, wollte dich nicht
loslassen und konnte gleichzeitig nicht klar formulieren, was ich mir
wünschte und was ich brauchte. Unterbewusst merkte ich, dass
Monogamie mich niemals glücklich machen könnte und dass du mich
davon abhieltst, mich zu entfalten, weil du Angst hattest, mich
dadurch zu verlieren.
Aber auch ich wollte dich nicht
verlieren, mich nicht verändern, nicht vom sicheren Hafen ablegen,
den wir uns geschaffen hatten. Und so blieb ich, nicht mehr ganz bei
der Sache und doch noch zu verbunden, um mich lösen zu können. Die
wenigen Versuche meinerseits, mich zu lösen, quittiertest du mit
einem noch engeren Griff. Wenn ich einen Fallschirm gehabt hätte,
der mich bei einem Sprung ins Unbekannte geschützt hätte, so
hieltst du mich mit einem Seil eng vertäut bei dir, um den Sprung zu
verhindern. Ich ergab mich. Ich wusste es nicht besser, mir wurde
erzählt, wie ich mich in einer Beziehung zu verhalten hätte und ich
hatte starke Gefühle für dich.
Ich blieb, weil ich dich liebte und
dich nicht verlieren wollte. Darüber verlor ich mich selbst.
Aber da warst nicht nur du, der mir
Halt bot. Auch deine Familie stützte mich und gab mir das erste Mal
seit der frühen Kindheit das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit
und Fürsorge, ohne dass ich dafür etwas geben musste.
Indem ich ging, um mich wiederzufinden,
musste ich einen großen Teil von mir abstoßen, der irgendwie noch
immer zu mir gehörte und doch nicht mehr.
Es sind die kleinen Dinge, die mich
immer wieder an unsere Zeit erinnern und daran, wie viele schöne
Momente ich mit dir teilen durfte. Ich bereue es nicht und hätte
mich darüber gefreut, dich auch weiterhin als Teil meines Lebens,
wenngleich nicht in Form einer Liebesbeziehung, betrachten zu dürfen.
Doch in dem Versuch, mir beizustehen,
verwechseltest du irgendwann deine Wünsche mit meinen. Hieltst für
richtig, was du für richtig hieltst und gingst davon aus, dass ich
das gleiche dächte. Aber schon seit Längerem befand ich mich an
einem ganz anderen Lebensabschnitt als du, hatte andere Ziele und
andere Pläne und du hattest Angst, mich zu verlieren. So begannst
du, deine Wahrnehmung auf mich zu verändern und mich als das
hilfsbedürftige Wesen zu sehen, das ich schon lange nicht mehr war.
Anstatt mit mir zu kommunizieren, kommuniziertest du über und für
mich. Anstatt mit mir zu reden, begannst du, mit einem Wunschbild von
mir zu sprechen, dem ich aber nicht entsprechen konnte und wollte.
Dinge, die dein Bild von mir als
hilfloses kleines Etwas bestätigten, nahmst du dankend an. Dinge,
die mich als das definierten, was ich war, eine selbstsichere Frau,
die sich kleidet, wie sie es möchte, die zu dem steht, was sie will,
fingst du an, mir auszureden und auszublenden. Du versuchtest, mich
kleinzuhalten, damit ich weiter auf deinen „Schutz“ angewiesen
wäre. Aber schon lange war es kein Schutz mehr, sondern Eigennutz.
Auch die Enge deines familiären
Umfeldes wurde mir zu viel, es wurde bedrohlich, du plantest eine
gemeinsame Familie, doch für mich klang das nach einem Gefängnis.
Ich wollte nicht über Kinder oder eine Familie reden, wo ich gerade
begriffen hatte, dass nicht Monogamie, sondern Polyamorie für mich
die richtige Lebensweise war. Doch aus deinem Blickwinkel war das
falsch, widernatürlich, niedere Beweggründe, ich wollte eine
kostbare Beziehung gegen unbedeutende Ficks tauschen. Aber so war es
nicht. Zwei Jahre lang hatte ich erst unbewusst, dann bewusst,
versucht, meine Sexualität zu unterdrücken und umzubiegen und mich
an dich angepasst. So, als würdest du von heute auf morgen jede
Woche genötigt, wechselnde Geschlechtspartner*innen zu haben.
Monogamie ist nichts „Natürliches“, es ist lediglich die Norm.
Aber es war deine Norm und von der durfte ich nicht abweichen, denn
das würde uns beide und unsere Beziehung bedrohen. Eifersüchtig
wachtest du über mich, deinen kostbaren Besitz, ohne zu begreifen,
dass Treue und Polygamie nicht äquivalent und ich kein Gegenstand
war, den du nach deinen Wünschen formen konntest. Ich musste aus
diesem Konstrukt hinaus, weil es nicht mehr zu mir passte, weil es
mich zurückhielt, weil auch du mich nicht mehr weiter so bereichert
hast, sondern begannst, mich festzuhalten und einzuengen.
Aber du warst mir als Mensch wichtig
und ich war im Geist so weit, dass ich dachte, die wichtigen Menschen
blieben mir erhalten. So setzte ich keine Grenzen, als du übergriffig
wurdest und eigensinnig versuchtest, mich notfalls mit psychischer
Gewalt bei dir zu behalten. Die Bindung riss nicht ab, wir blieben
einander verbunden und konnten uns nicht voneinander lösen. Wir
versuchten es erneut, es scheiterte. Ein paar Monate verstrichen,
dann ein erneuter Versuch. Zu eng war die Verbindung, zu lang unser
gemeinsamer Weg gewesen.
Doch eine gemeinsame Vergangenheit
reicht nicht aus, wenn die Gegenwart eines jeden schon
grundverschieden ist. Vergangenheit alleine kann keine Beziehung
kitten, wenn die Gegenwart wegbricht.
Dass der Tod meines Vaters Spuren
hinterlassen würde, war abzusehen. Doch dass du daraus den Schluss
ziehen würdest, ich sei keine autonome Person mehr, könne nicht
mehr selbstständig handeln und denken, kam für mich mehr als
überraschend. Warst du nicht immer selbstlos für mich da gewesen?
Dass die Selbstlosigkeit nur die eine
Seite der Medaille war und Eigennutz die andere, wurde mir erst viel
später klar.
Es wurde mir klar, als ich versuchte,
dir meine Welt näherzubringen und du abblocktest, als ich mich auf
deine mir fremdgewordene Welt einließ und du mir nicht
entgegenkamst. Als ich begriff, dass dich mein Leben nicht
interessierte, weil alles, was ich ohne dich tat, unsere kostbare
Zweisamkeit bedrohte.
Doch noch konnte ich den Schritt nicht
gehen. Wir versuchten, das nachzuholen,was wir in zweieinhalb Jahren
versäumt hatten, aber wenn du nicht mehr glücklich bist, bringt es
nichts, sich Glück vorzuspielen. Es waren ein paar wenige kostbare
Wochen, bevor uns die Unterschiede erneut einholten. Auch die
Übergriffe nahmen zu, du warst sauer, wenn ich keinen Sex wollte und
warst sauer, wenn ich dir nicht zuhörte, aber selbst hattest du das
Interesse in meine Person schon längst verloren. Irgendwann lief für
mich das Fass über, ich musste mich befreien, da ich drohte, in
diesem Konstrukt einer monogamen Beziehung auf Lebenszeit zu
versinken, Was für dich Freiheit war, bedeutete für mich
Gefangenschaft.
Und so zog ich den Schlussstrich,
wollte es sauber über die Bühne bringen, doch du warfst mir Dinge
an den Kopf, Worte, die mir das Gefühl gaben, sie hätten die Macht,
alle schönen Dinge der vergangenen drei Jahre zu zerstören.
Ich durchlebte eine Woche des Leids,
der Tränen, mit Freund*innen, Schokolade und Trunkenheit, sang aus
tiefstem Herzen zu Wish you Were Here und wanderte bei Mond und Neben
weinend durch die Straßen. Auch wenn es vermutlich nicht deine
Absicht war, hat doch deine Reaktion auf die Trennung dafür gesorgt,
dass ich schneller beginnen konnte, zu verarbeiten.
Deine Mails, dein Klammern, dein
Versuch, mir zu erzählen, dass ich nicht Herrin meiner Emotionen
sei. Du gingst davon aus, mich besser zu kennen als ich mich selbst,
dabei kanntest du nur die Dinge von mir, die du kennen wolltest.
Bedrängtest mich, versuchtest meine Freund*innen für die
Nachrichtenübermittlung einzusetzen, obwohl ich dich gebeten hatte,
mir nach den Angriffen Zeit zu geben. Vielleicht hätten wir in
Kontakt bleiben können, hättest du nicht in dieser Zeit wieder und
wieder, Mal um mal meine Grenzen überschritten und massiv dafür
gesorgt, dass ich begann, die Zeit mit dir zu bereuen. Ich verstand
nicht, wie ich diesen Menschen hatte lieben können, was aus dem
wunderbaren Mensch geworden war, der mir zugehört hatte und wann und
warum er so übergriffig geworden war.
Und um mich selbst zu schützen, griff
ich zu dem Mittel, das mir blieb: Ich schloss dich mit aller Macht
aus meinem Leben aus, nahm dir jede Möglichkeit des Kontakts zu mir.
Es war nicht leicht, es tat weh. Ich wollte dich nicht ausschließen,
aber ich hatte keine andere Möglichkeit.
Erst aus der Distanz merke ich, wie
wichtig es für mich war, diesen Schritt zu gehen. Lange waren wir
einander wichtig, haben einander viel gegeben und einander geprägt.
Doch alles Schöne ist vergänglich und so war es auch diese
Beziehung. Zu viele Unterschiede, zu viele Ansichten.
Nun blicke ich darauf zurück und
möchte nicht länger wütend sein oder hassen, weil es das nicht
wert ist. Es ist ein Kapitel in meinem Leben, mit dem ich immer
weiter abschließe und zu dessen Abschluss auch dieser Text beiträgt.
Manche Menschen muss man irgendwann gehen lassen und so war es mit
dir. Ich habe dich von mir gestoßen, um uns beide zu befreien.
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